Nachrichten

Gedanken zur Jahreslosung 2022


31. Dezember 2021

von Landesbischof Tobias Bilz, zuerst erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten

Zugangsvoraussetzungen. Über Zugangsvoraussetzungen werden beinahe alle Bereiche des Lebens geregelt. Im Internet sind das Codes, über die man verfügen muss, um sich einloggen zu können. In der Arbeitswelt sind es konkrete Berufs- oder Studienabschlüsse. Ja, und die sogenannten G-Regeln kann ich hier nicht verschweigen. Wie gut, wenn man die nötigen Nachweise dabei hat, um reinzukommen.

Zugangsvoraussetzungen haben natürlich eine Kehrseite. Wenn sie nicht gegeben sind, muss man draußen bleiben. Das ist manchmal richtig unangenehm. Ich erinnere mich bis heute, wie es war, als ich im Kino tatsächlich meinen Ausweis vorzeigen musste und dann aufgrund der Altersbeschränkung wieder gehen musste. Peinlich. Aber es half alles nichts, ich hatte keinen Zugang.

Wir sind uns wohl alle im Klaren darüber, dass Zugangsvoraussetzungen für viele Bereiche des Lebens absolut notwendig sind. Ohne sie drohen vielfältige Gefahren. Manchmal aber spüren wir, dass sie uns oder andere unangemessen einschränken oder aussperren. Das geschieht dann, wenn sie zu sozialen Ausschlusskriterien werden. Wenn jemand nicht mehr zu uns passt, weil er nicht so redet wie wir oder die falschen Gedanken denkt und unpassende Worte spricht. Vorlieben für Musikrichtungen und Sportvereine, Kleidungsstile und Essgewohnheiten aber auch politische Überzeugungen gegensätzliche Meinungen können tiefe Gräben aufreißen. Zugegeben, es gehört viel Kraft dazu, Menschen mit anderen Gewohnheiten und Verhaltensweisen auszuhalten. Das schaffen wir nicht immer. Deshalb brauchen wir unbedingt soziale Gruppen, in denen wir uns wohl und geborgen fühlen. Wann aber werden diese Gruppen zur Blase, in die wir uns auf ungesunde Weise zurückziehen und anderen gegenüber verschließen?

Der Satz von Jesus Christus, welcher uns als Leitwort für 2022 gegeben wurde, stellt keinen Anspruch auf totale Offenheit für jeden Menschen. Er enthält nicht einmal eine Aufforderung. Er beschreibt einfach das, was für Jesus selbstverständlich war, wie er gedacht und geredet, gehandelt und Menschen behandelt hat: „Wenn jemand etwas von mir will, weise ich ihn nicht ab! Ich gebe dem, der mich bittet und halte mich offen für alle Menschen, die bedürftig sind und das zum Ausdruck bringen.“ Dabei hat er die körperlichen und die seelischen Bedürfnissen im Blick gehabt. Wenn er praktisch geholfen hat, war das für ihn zugleich eine doppelte Botschaft: „Weil ich für dich bin, bin ich für dich da!“ Damit wurde deutlich, dass er sensibel für die tiefe Sehnsucht der Menschen war, nicht abgelehnt zu werden, sondern dazugehören zu dürfen.

Wenn wir dieses Wort für uns und unser Verhalten als guten Vorsatz für das neue Jahr nehmen wollen, liegt eine große Herausforderung vor uns. Es wird sich lohnen, diesen Weg zu beschreiten.