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„Manchmal erlebt man im Knast ein Wunder“ – DNN-Spende der „Wort-zum-Sonntag“-Autoren geht an Set free e. V.


10. Dezember 2022

Seit 30 Jahren arbeitet Angelika Lang als Gefängnisseelsorgerin. In Dresden engagiert sie sich u.a. im Set free e. V. Das ist ein Verein, der 2011 gegründet wurde, und dem in diesem Jahr das durch die DNN-Redaktion gesammelte Zeilenhonorar für das „Wort zum Sonntag“ auf der Kirchenseite gespendet wird.

Angebot für Haftentlassene und ihre Angehörigen

Im Verein, der eng mit der katholischen wie auch der evangelischen Gefängnisseelsorge kooperiert, arbeiten derzeit 12 Ehrenamtliche. Sie besuchen Gefangene. Sie organisieren unter dem Motto „Freiraum“ offene und auch gottesdienstliche Angebote für Haftentlassene, ihre Angehörigen und Interessierte in St. Josef in Dresden-Pieschen. Vor allem aber arbeitet der Verein mit Multiplikatoren: „Ehemalige Szene-Größen sind der Schlüssel“, sagt Angelika Lang. „Sie zeigen Mitgefangenen, wie sie es schaffen können, straf- und drogenfrei zu werden.“ Mit ihrem Vorbild setzen sie der Subkultur im Gefängnis und unter Häftlingen etwas entgegen.

Frau Lang skizziert im Gespräch die Ausweglosigkeit der meisten Biografien von Häftlingen: Nach ihrer Erfahrung befinden sich im Gefängnis die am stärksten traumatisierten Menschen. Oft haben sie Missbrauch am eigenen Leib erlebt. Achtzig Prozent kämen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. „Im Grunde werden im Strafvollzug die gesellschaftlichen Opfer von gestern heute bestraft“, so Lang. Sie plädiert statt des Prinzips von Schuld und Strafe dafür, dass das Opfer im Mittelpunkt steht. Gemeinsam mit ihm, dem Täter/der Täterin und der Gesellschaft sollten Formen der Konflikttransformation und Wiedergutmachungsverfahren gesucht werden („Restorative Justice“).

Nach ihrer Erfahrung trage der Strafvollzug nicht zur Resozialisierung bei, so Angelika Lang. Der Einfluss der Subkultur sei mächtig: Neben einer eigenen Sprache seien dort die Normen der Gesellschaft umgedreht und Neuanfänge verpönt. Umso mehr setzt sich deshalb der Set free e. V. ein für

  • Befreien von Sucht, Gewalt und Kriminalität
  • Freisetzen der Berufung
  • Freiwerden für ein verantwortungsvolles Leben

Das brauche einen langen Atem und birgt auch Rückschläge. „Manchmal weiß ich auch nicht, was zu tun ist, weil die Menschen so verloren sind.“ Dann empfiehlt Frau Lang den Häftlingen zu beten. Ab und an entfaltet der Glaube so plötzlich eine ungeheure Kraft. „Manchmal erlebt man im Knast ein Wunder,“ sagt die ehemalige Sozialarbeiterin und Kriminologin.

Angelika Lang hofft auf mehr Offenheit in Gesellschaft und Kirche für die Gaben, die (ehemalige) Häftlinge zu verschenken haben. Dazu zählt sie schonungslose Offenheit und die authentische Weitergabe von Erfahrungen. Gern kommt Frau Lang auch zu thematischen Abenden in Kirchgemeinden, um von ihrer Arbeit zu erzählen.

Sie ist dankbar für die etwa 1.200 Euro Spende der Dresdner Neusten Nachrichten, die sich aus den Autorenhonoraren speist und noch aufgerundet wurde. Davon soll ein Filmequipment gekauft werden, um die Erfahrungen ehemaliger Häftlinge in Interviews zu dokumentieren. So können noch mehr Gefängnisinsassen erreicht und die Bildungsarbeit des Vereins in Schulen und Gemeinden gestärkt werden.

Mira Körlin

Michael Baudisch, Pressesprecher im Bistum Dresden-Meißen, Gefängnisseelsorgerin Angelika Lang, Mira Körlin von den Ev.-Luth. Kirchenbezirken Dresdens. Im Hintergrund ist ein Bild zu sehen, welches Häftlinge gestaltet haben. Es zeigt eine Brücke vom Gefängnis hin zur Kirche. Diese ist gepflastert mit vielen Wünschen, Erwartungen, auch Befürchtungen. “Seid ein Segen”, steht darüber. (Bild: Tomas Gärtner)